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Trifonov und die atemlose Stille

Das Meisterzyklus-Konzert vom 1. November 2021 bringt endlich Daniil Trifonov, den 30-jährigen Ausnahmepianisten, nach Bern. Lange hat das Publikum auf diesen Moment gewartet. Seit seinem Durchbruch beim internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau im Jahr 2011 reiht sich Erfolg an Erfolg.

Begleitet von der Philharmonia Zürich, dem Tonhalle- und Theaterorchester des Zürcher Opernhauses, unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Gianandrea Noseda, spielt der russische Musiker in der Bundesstadt Brahms’ erstes Klavierkonzert. Unfassbar seine Klangtransparenz, die zarte Kraft und Stärke der schlanken Hände im Maestoso, die beseelten Piano-Stellen im Adagio, die brillanten Triller im dritten Satz mit der Kadenz, die auch auf Trifonovs kompositorisches Talent hinweist. Zuweilen droht die Klavierstimme unter dem Klang des engagiert und versiert aufspielenden Orchesters zwar unterzugehen, doch Trifonovs Spiel schwingt sich über die Forte-Passagen hinaus, als bewege sich die Solostimme in einer anderen Dimension. Das Publikum ehrt die Leistung des Solisten nach dem Mittelsatz, dem subtil ausgespielten Adagio, mit atemloser Stille und kostet den Moment nach dem Verklingen des dritten Satzes sekundenlang aus. Daniil Trifonov verdient den rauschenden Beifall, der das Berner Publikum ihm danach schenkt. Er revanchiert sich mit Bachs «Jesu bleibet meine Freude» (arr. von Dame Myra Hess) aus seiner bei der Deutschen Grammophon 2021 erschienenen CD «Bach – The Art of Life».

Mit Antonín Dvořáks achter Sinfonie klingt das Konzert aus. Es ist ein Abend, den man nicht vergessen wird.

Angela Kreis-Muzzulini